Zwischen Kolonialgeschichte und Genozid: Zu Kontinuitätslinien der Darstellung von Tier-Mensch-Beziehungen in deutschen Publikationen und Fotografien zu Ruanda

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DOI:

https://doi.org/10.37536/ECOZONA.2024.15.2.5381

Schlagworte:

Genozid/Tutsizid, Ruanda, Tier-Mensch-Beziehung, Massengewalt

Abstract

Anhand von Texten und Fotografien aus verschiedenen Epochen versucht der Artikel, Kontinuitätslinien von der Kolonialisierung Ruandas durch das deutsche Kaiserreich bis in die Gegenwart hinein zu zeichnen. Nachgewiesen werden soll, dass die hamitischen Theorien, die ab Mitte der 1890er Jahre zur allmählichen Ethnifizierung des Landes und zur Essentialisierung von drei vermeintlich voneinander getrennten “Ethnien” (Hutu, Tutsi, Twa) führten, besonders seit 1959 eine Politik hervorbrachten, die auf Diskriminierungen, Vertreibungen, Massakern und Plünderungen beruhte. Durch diese Gewaltakte gegen die Minderheit der Tutsi wurde schrittweise der Genozid des Jahres 1994 vorbereitet. Für ihn war wiederum die vorherige Animalisierung der Opfer konstitutiv, der im Gegenzug eine problematische Humanisierung der Kühe entsprach. Das Ziel war beide Male dasselbe: Die Herden wurden ebenso wie ihre Besitzer:innen einer Gewalt unterworfen, die auf lange, qualvolle Agonien hinstrebte. Die Täter:innen versuchten auf diese Weise, das rassistische Konzept eines “Körperstandards” zu verwirklichen, von dem sowohl die Tutsi als auch ihre Tiere “abgewichen” seien. Des Weiteren sollten die Tutsi, da vermeintlich “fremd,” “zurück in ihre ägyptische Heimat” geschickt werden. Obwohl die hamitischen Theorien als integraler Bestandteil der genozidalen Ideologie betrachtet werden müssen, haben sich in entwicklungspolitischen Schriften, Romanen, Zeitungsartikeln und Berichten zu Ruanda die alten Stereotypen als dominantes Interpretationsschema erhalten. Dies geht so weit, dass noch im Beraterstab des Bundespräsidenten Horst Köhler ein dezidiert negationistisch argumentierender “Experte” zu finden war – ein Mann also, der die Relativierung des Genozids betrieb. 2017 wurde in Kigali von Deutschland ein Museum eröffnet, das nach einem deutschen Kolonialisten benannt ist, dessen Rolle bei der Verbreitung des “Hamitischen” keinem Zweifel unterliegt. So stellt sich die Frage nach der Verdrängung einer Katastrophe, die die Deutschen mit ihrem Ruf des “Nie wieder!” in ihrer Identität hätte treffen müssen.

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Autor/innen-Biografie

Anne Peiter, University of La Réunion

Anne D. Peiter. Studied German, history and philosophy in Münster, Rome, Paris and Berlin. 2001-2007 DAAD lecturer at the Sorbonne IV in Paris. 2006 PhD at the Humboldt University in Berlin with a thesis on « Komik und Gewalt. Zur literarischen Verarbeitung der beiden Weltkriege und der Shoah (« Comic and violence. On the Literary Processing of the Two World Wars and the Shoah », Böhlauverlag 2007). Since 2007 German studies lecturer on La Réunion (France, Indian Ocean). 2018 Habilitation at the Sorbonne Nouvelle with a thesis on « Träume der Gewalt. Studien der Unverhältnismässigkeit zu Texten, Filmen und Fotografien. Nationalsozialismus – Kolonialismus – Kalter Krieg » (« Dreams of Violence. Studies of Disproportionality on Texts, Films and Photographs. National Socialism – Colonialism – Cold War », Transcript-Verlag 2019). Numerous publications + books mainly on the history of modern violence since colonialism. Last book publications: « Der Träger. Zu einer tragenden Figur der deutschen Kolonialgeschichte » (« The carrier. On a supporting figure of German colonial history », with Sonja Malzner). « Der Ausnahmezustand ist der Normalzustand, nur wahrer. Texte zu Corona » (« The state of exception is the normal state, only truer. Texts on Corona », « with Wolfram Ette). Just published: "Der Genozid an den Tutsi Ruandas. Von den kolonialen Ursprüngen bis in die Gegenwart" ("The genocide of the Tutsi of Rwanda. From the colonial origins to the present day").

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Veröffentlicht

2024-10-30

Ausgabe

Rubrik

Articles:Disruptive Encounters.Concepts of care and Contamination out of Control